Ein Versuch, mir meine Trauer, Resignation und Wut von der Seele zu schreiben, um nicht daran zu zerbrechen

Sonntag, 13. Januar 2019

01-2019 Transitzeit (2018/19)


Seit Wochen überlege ich, wie und mit welchen Worten ich mich wieder bei meinen Lesern melde. Seit meinem letzten Eintrag (2018-04) ist nicht nur der Sommer, sondern auch das Jahr vergangen. Ich fand einfach keinen Anknüpfungspunkt zu meinen letzten Blog, in dem ich nochmals auf den Umstand einging, dass sich Romanisten nicht nur durch abgesicherte, mehr oder weniger gut bezahlte akademische Positionen geehrt werden, sondern auch außerhalb von Universitätsmauern wiederfinden. Dass letztere eher im Schatten stehen und von Gesellschaft und akademischer Nomenklatur übersehen werden, liegt auf der Hand. Gute Freunde haben mir immer davor gewarnt, mich in Selbstmitleid einzuschließen.
Ich hoffe aber, dass mein letzter Blog nicht in diesem Sinne verstanden wird. Denn Selbstmitleid ist sicherlich die letzte Droge, die wir als Privatdozenten oder arbeitslose Akademiker gerade brauchen könnten. Ein Narkotikum, das unsere Schmerzen über die eigenen Misserfolge kaum lindern kann und vielmehr genau die Sache jener betreibt, die zu eben diesen Misserfolgen beigetragen haben. Es geht mir jedenfalls nicht um Selbstmitleid, sondern darum, mir in den letzten zehn Jahre mit den Mitteln selbst zu helfen, auf die ich mich am besten verstehe, mit denen der Sprache. Der Prozess des Schreibens nimmt sich nicht nur wie eine Bühne aus, auf dem die laut gedachten Gedanken tanzen und sich von schlechten Gefühlen im kathartischen Sinn reinigen. In ihm gewinnt man auch neue Einsichten über seine Mitwelt, zumal auch diese daran teilnehmen kann.
Es ist durchaus möglich, dass mir manche Leser meine Offenheit übel genommen haben, da sie der Ansicht sind, dass man die eigene Person nicht so sehr in den Vordergrund rücken sollte, vor allem aber, dass man Probleme, die sich aus der eigenen akademischen Vita ergeben, niemals öffentlich zur Sprache bringen sollte. Ich will nicht ausschließen, dass ich mit meinem Blog selbst zu dem bekannten Umstand beigetragen habe, zu jenem nämlich, dass ich nicht zum Professor berufen wurde. Demokratie pflegt letztlich leider immer dann zu enden, wo die konkreten Arbeits- und Lebensumstände zu beginnen pflegen.
Wahrscheinlich war ich zu naiv, zu sehr von der Bedeutung dessen überzeugt, was wir in unseren Seminaren über Postmoderne und Postkolonialismus zum freien Aushandeln von Wertvorstellungen, zum Vermeiden von Essenzialismen diskutiert haben. Ich war viel zu sehr davon überzeugt, dass diese Zäsuren in unserem Denken doch auch Auswirkungen auf unser zwischenmenschliches Handeln und unseren Alltag haben müssten, dass sich diese nicht auf eine bloße Gedankenakrobatik zu beschränken hätten. Was mich stets enttäuschte, waren jene akademischen Mit- und Nachdenker, die mit der Realität anders umzugehen pflegten als mit ihren theoretischen Steckenpferden. Aufgrund meiner theoretischen Skepsis hätte ich es besser wissen müssen, zumal ich die grandiosen Widersprüche zwischen Theorie und Praxis aus den 1970er Jahren zur Genüge habe kennen lernen dürfen.
Ich spreche von der Vergangenheit. Mit dem letzten Jahr ist für mich die Einsicht gekommen, dass ich kein Akademiker im Vollzeitmodus mehr sein werde und damit ein wichtiger Zeitabschnitt in meinem Leben endgültig einen Abschluss gefunden hat. Ich bin extra muros und freue mich darauf, dass in zwei Jahren eine andere, vielleicht noch wichtigere Phase ihrem Ende entgegen geht. Ich werde dann im Rentenalter sein und mich endgültig dem zuwenden, was ich immer als mein eigentliches Ziel angesehen habe, zu schreiben und evtl. auch noch zu lehren, sofern die Studenten es wollen und die Universitätsverwaltung es erlaubt. Vielleicht würde es mich auch freuen, meine Teilnahme an Kongressen und Tagungen anmelden zu können, zu denen ich nunmehr ohne Sorge um Listenplätze beitragen kann.
Damit wird sich auch dieser Blog allmählich verwandeln. Der Ort der Selbstverständigung über die verlorene und verworrene Lage eines Privatdozenten wird neuen Aufgaben weichen. Aber dieser Blog wird sich stets besonders jenen jüngeren Lesern bzw. Kollegen zuwenden, die sich in meiner bisherigen Situation wieder erkennen und ebenso wie ich nach Orientierung suchen, dabei aber weitaus jünger sind als ich und demnach noch einen viel weiteren, womöglich noch steinigeren Berufsweg vor sich haben. Dennoch wird sich die Bedeutung allmählich zugunsten aktueller Fragen, auch der politischen und kulturellen Gegenwart, verschieben müssen. Man kann nicht ewig mit Abschiedsgesten auf sich aufmerksam machen, wenn der Zug schon lange an einem vorbeigezogen ist. Man muss neue Wege beschreiten, auch wenn diese unvertrauter erscheinen als jene auf einem Campus.
Vor allem ist es heute notwendig, sich als intellektueller Mensch zu Wort zu melden und im Rahmen enger Grenzen am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen. Wie selten zuvor finden wir uns heute in einer Welt wieder, die uns immer unverständlicher geworden ist. Als Geisteswissenschaftler haben wir aber die Aufgabe, unseren kulturellen Kosmos in Geschichte und Gegenwart zu verstehen und verständlich zu machen. Normalerweise tun wir dies, indem wir uns zu wissenschaftlichen Themen äußern. Auf diesem Blog werde ich zwar selbstverständlich keine Beiträge publizieren, wohl aber auf wissenschaftliche Projekte zu sprechen kommen, denen ich mich in Zukunft noch zuwenden werde. Außerdem wird er mitunter auch als vorwissenschaftlicher Raum zu erkennen sein, in dem Fragen vorformuliert werden, die im wissenschaftlichen Diskurs noch weiter zu vertiefen wären. 

Fortsetzung folgt